Unverpackt-Läden, High-Tech-Innovationen, Coworking-Spaces oder Theaterproduktionen – immer mehr Projekte in der Schweiz werden über Privatinvestoren im Internet finanziert. Crowdfunding boomt. Wir erklären, worums geht und zeigen, welche Plattformen es gibt.
Von Yvonne von Hunnius
Wenn viele wenig geben, kommt eine Menge zusammen – in der Schweiz 2017 sogar 375,6 Millionen Franken. So hoch war die Summe, die über Crowdfunding-Plattformen vermittelt wurde. Das ist ein Rekordwert und fast dreimal so hoch wie im Vorjahr, bestätigt die aktuelle Crowdfunding-Studie der Hochschule Luzern, die seit fünf Jahren diesen Markt genau beobachtet. Ende April 2018 zählen die Wissenschaftler insgesamt 43 Crowdfunding-Plattformen mit physischer Präsenz in der Schweiz. In der Schweiz ist die Community zwar immer noch verhältnismässig klein im Vergleich zu den USA oder Grossbritannien, doch der Bereich wächst. Studienautor Andreas Dietrich sagt: «Professionelle Investoren nehmen Crowdfunding zunehmend als interessante Anlage wahr.» Er rechnet damit, dass der Schweizer Crowdfunding-Markt Ende Jahr sogar die Milliarden-Grenze knacken könnte.
Geld ist nicht alles
Das sind gute Nachrichten für Start-ups und Unternehmer, die es bei einer traditionellen Bank schwer haben oder einfach einen alternativen Weg suchen. Manchmal ist die benötigte Summe für die Bank zu gering oder sie muss zu kurzfristig vorliegen. Manchmal ist das Projekt so speziell, dass sich kein begeisterter Banker findet. Manchmal sucht etwa ein Start-up auch einfach eine innovative Finanzierungsmöglichkeit. Und so manche Projekt-Initianten dürften auf Crowdfunding setzen, weil hiermit gleich eine Fanbasis aufgebaut oder mobilisiert werden kann.
Von Letzterem hat beispielsweise Coworking Frauenfeld in der Aufbauphase profitiert. Das Team hatte über die Schweizer Plattform wemakeit seine Idee schriftlich sowie in Videoform vorgestellt und in rund einem Monat war dadurch die Ausstattung der Räume mitfinanziert. Wer Geld gegeben hatte, konnte dafür Coworking-Tage bekommen. Initiantin Regine Siegenthaler sagt im Booster-Interview: «Da hiermit eine erste Öffentlichkeitsarbeit verbunden war, waren wir zu einer Schärfung der Projektidee und zu einer klaren und prägnanten Formulierung und Präsentation gezwungen.» Und letztlich erreichten sie hierdurch schon erste Interessenten für einen Coworking-Arbeitsplatz. Einige der Unterstützer von damals sind heute regelmässige Kunden.
Wofür sich die Frauenfelder entschieden haben, war ein Crowdsupporting-Projekt. Das bedeutet, dass vorwiegend Privatinvestoren in kreative, kulturelle oder soziale Projekte investieren und als Gegenleistung dann ein Endprodukt erhalten – etwa eine Eintrittskarte für ein Event, ein Exemplar eines Buches oder eben Coworking-Tage. Beim Crowddonating-Modell wird gespendet. Diese Varianten sind inzwischen recht vielen Menschen bekannt, weil unter anderem auch Vereine damit Projekte finanzieren. Schaut man auf das Volumen, das durch Crowdfunding umgesetzt wird, dann macht Crowdsupporting/-donating aber den geringsten Anteil aus. Höhere Summen setzen Plattformen für Crowdlending, Crowdinvesting und Invoice Trading um.
Am meisten wird durch Crowdlending abgewickelt. Hierbei geht es recht klassisch um Kreditfinanzierung – aber natürlich ohne Bank. Wer einen Kredit für ein Projekt braucht, kann also auf diese Weise direkte Geldgeber suchen, welche das Geld mit Zinsen zurückerhalten. Bei Crowdinvesting geben Privatleute oder Profi-Investoren Unternehmen Kapital und werden am Gewinn beteiligt. Das Zürcher Start-up Beekeeper beispielsweise hat auf diese Weise über die Plattform investiere.ch für seine Mitarbeiter-App Geld eingesammelt. Und letztlich gibt es noch Invoice Trading – eine Option für offene Rechnungen. Ein Einzelhändler kann hier etwa seine offene Rechnung über entsprechende Plattformen verkaufen, um für den Moment wieder handlungsfähig zu sein.
Auf den nächsten Seiten stellen wir die Varianten und einige dazugehörigen Plattformen vor. Dabei beziehen wir uns auf die aktuelle Studie der Hochschule Luzern und fokussieren uns auf diejenigen Plattformen in der Deutschschweiz, die für Start-ups am interessantesten sind.
4 Modelle des Crowdfunding
Crowdinvesting
Bei dieser Variante geben Privatleute oder auch professionelle Investoren Kapital an Unternehmen oder Immobilienprojekte. Sie erhalten dafür eine Art der Gewinnbeteiligung.
Online-Start-up-Investitionsplattform, die momentan über 70 Investitionen tätigt und wie ein webbasiertes Business-Angel-Netzwerk funktioniert. Investoren treffen auf vorselektierte Start-ups, die Kapital benötigen.
Gebührenmodell: 3-6 Prozent Kommission auf Investorenseite sowie carried interest von 15 Prozent bei einem annualized return von mindestens 5 Prozent.
Crowdsupporting
Hier investieren viele Personen in kreative, kulturelle oder soziale Projekte und sehen es entweder als Spende ohne Gegenleistung an oder erhalten als Gegenleistung ein Endprodukt – etwa eine Eintrittskarte für ein Event oder ein Exemplar eines Buches.
Crowdfunding-Plattform von Ron Orp, einer der grössten Newsletter-Verleger der Schweiz. Wer mitmacht, kann von dessen Publizität profitieren und hat Zugang zu Dienstleistungen wie Workshops.
Gebührenmodell: 6 Prozent der Zielsumme bei Erfolg, 8 Prozent bei Etappen-Projekten.
Crowdlending
Wer einen Kredit für ein bestimmtes Projekt braucht, kann auf diese Weise Geldgeber suchen. Letzteren haben bei der Rückzahlung das Recht auf Zinsen, die je nach Risiko bemessen werden.
Erste Crowdfunding-Plattform in der Schweiz, 2008 gegründet. Die Plattform bietet Anlage- und Finanzierungsmöglichkeiten über die Crowd für Private und KMU.
Gebührenmodell: Gebühren nur im Erfolgsfall – 0.75 Prozent p.a. pro Partei mit min. Gebühr für Darlehensnehmer von 50 Franken für Privatpersonen und 300 Franken für KMU. Keine Gebühr bei vorzeitiger Rückzahlung sowie für die Prüfung.
Invoice Trading
Diese Option macht möglich, offene Rechnungen an Investoren zu verkaufen – etwa, wenn ein Einzelhändler kurzfristig in Zahlungsschwierigkeiten kommt, weil er noch auf die Bezahlung seiner Rechnungen wartet. Dabei gibts für die Investoren Rendite.
Die Plattform bringt KMU Liquidität, indem diese Rechnungen an Investoren verkaufen können. Das Geschäftsmodell basiert auf Factoring – einer Vorfinanzierung von Rechnungen für Kreditnehmer. Und das ist auch extrem kurzfristig möglich, die Laufzeiten betragen meist einen bis wenige Monate.
Gebührenmodell: Für KMU 1 Prozent des Finanzierungsbetrages, für Investoren bei erfolgreicher Rückzahlung 10–20 Prozent des Profits.