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Eigenständigkeit dank digitaler Helfer

Die heutige Grosseltern-Generation wird zur ersten, der die Digitalisierung in jeden Winkel ihres Alltags folgt. Digitale Assistenzsysteme wollen Eigenständigkeit bis ins hohe Alter ermöglichen. In der Schweiz entwickeln Forscher schon lange Lösungen für Senioren.

Von Yvonne von Hunnius

«Als ich in die Schule ging, gab es Rechenschieber – die elektrische Schreibmaschine war für mich als Sekretärin eine Revolution», sagt Rita, Jahrgang 1938. Heute lebt sie allein in einer Stadtwohnung. Und digitale Helfer in ihrer Wohnung sind ihr lieber als eine Altenpflegerin, die täglich nach dem Rechten schaut. Anfangen will sie mit einer sensorbasierten Lösung, die im Fall automatisch den Herd ausstellt. Und eine Sache ist Rita dabei besonders wichtig: «Ich will nicht, dass Besuch gleich sieht, dass ich sowas benutze.» Es ist sehr wahrscheinlich, dass sie bald mit ihrer Freundin vor dem Herd steht und so lange Wasser kocht, bis sie die Innovation präsentieren kann.

Assistenzsysteme boomen
Die Digitalisierung macht ein ganzes Ökosystem an Lösungen für ältere Menschen möglich. Die prognostizierten Wachstumsraten sind schwindelerregend. Kein Wunder, steigt doch der Anteil von Senioren rapide in Ländern wie der Schweiz oder Deutschland – bis 2050 soll er bereits ein Drittel der Bevölkerung ausmachen. «Und die meisten Menschen wünschen sich, so lange wie möglich eigenständig zu leben», sagt Dieter von Arx. Er ist Leiter des iHomeLab Visitor Centers, das schweizweit bekannte Besucherzentrum des Kompetenzzentrums für dieses Thema an der Hochschule Luzern. Seit seiner Gründung 2008 hat das iHomeLab Pionierarbeit geleistet und auch mit vielen Start-ups oder etablierten Unternehmen zusammengearbeitet.

Am iHomeLab liegt der Fokus auf Gebäudeintelligenz, auf smartem Energiemanagement oder vernetzter Gebäudeautomation – sogenannte altersgerechte Assistenzsysteme für ein selbstbestimmtes Leben machen einen wichtigen Teil der Forschungstätigkeiten aus. Griffiger ist die Bezeichnung Ambient Assisted Living (AAL), die seit Jahren einen wahren Boom erlebt. Und dabei geht es um sehr viel mehr als ein Notrufarmband.

Akzeptanz ist das A und O
Meist handelt es sich bei AAL um digitale Systeme, die einen einfachen Kontakt mit Betreuern ermöglichen oder selbst Hilfestellung geben. Etwa werden sensorbasierte Lösungen unauffällig in der Wohnung eingebaut und erkennen Notfallsituationen automatisch, leiten dann entweder selbst Massnahmen zur Unterstützung ein oder holen Hilfe.

Das fängt bei einfachen Anwendungen an: Ein Sensor am Herd oder an der Badewanne löst aus, dass der Herd abgeschaltet, der Wasserfluss gestoppt wird. Sensoren aktivieren Beleuchtungssysteme in der Wohnung. Von Arx sagt: «Jede Lösung muss einfach sein – das ist Grundvoraussetzung.» So verwenden die Forscher am iHomeLab wann immer möglich reguläre Technik, arbeiten etwa lieber mit einer App, als ein neues Endgerät zu entwickeln. Extrageräte wirken stigmatisierend, so von Arx: «Die Akzeptanz ist sehr wichtig für uns und das ist eine psychologische Frage. Die Anwender müssen Vertrauen in eine Lösung haben, von der sie denken: Das ist raffiniert!»

Die vom iHomeLab entwickelte und preisgekrönte Anwendung «Confidence» besteht aus einer App fürs Smartphone. Über einen roten Knopf kann die betreute Person Kontakt mit bis zu fünf Angehörigen aufnehmen. Ausserhalb der Wohnung könnte ihr dadurch auch geholfen werden, nach Hause zu finden. Doch es gibt auch eine Notruf-Funktion oder wetterabhängige Tipps, ob es für den Spaziergang einen Regenschirm braucht.

Bewegungsprofil als Grundlage
Technisch komplexer ist der AAL-Bereich, in dem es um Informationen von verschiedenen Sensoren in einer Wohnung geht. Dadurch ist man in der Lage, ein Bewegungsprofil der Person zu erstellen und zu merken, wann diese von ihren Gewohnheiten abweicht. Das iHomeLab hat diese Technologie im Projekt «Relaxed Care» mit einem Kommunikationssystem zusammengeführt: Je ein dekorativer Würfel steht bei der betreuten und betreuenden Person. Er schimmert grün, wenn keine Auffälligkeiten auftreten – er wechselt die Farbe, wenn der Rhythmus vom Gewohnten stark abweicht. Durch ein Kugelsystem können einfache Botschaften übermittelt werden und eine App macht das System mobil.

Gerade bei Personen in einem Anfangsstadium der Demenz kann das eine wichtige Aufgabe erfüllen. Heute fit und mit wenigen Einschränkungen gut in der Lage, eigenständig zu leben – morgen hat sich der Zustand eventuell so weit verändert, dass weitere Hilfe nötig ist. Von Arx betont: «Es steckt eine komplexe Forschungsfrage dahinter, welche Verhaltensänderungen tatsächlich auf die fortschreitende Krankheit zurückzuführen ist.» Bei Assistenzsystemen haben die sensorbasierten Informationen auch deshalb einen grossen Reiz, weil sie unabhängig von der betreuten Person funktionieren. Es gibt eine Reihe von Systemen mit Sturzsensoren – auch aus dem iHomeLab, die aber alle nur Notfallhilfe ermöglichen, wenn diese aktiv angelegt werden.

Der gläserne Bewohner
Generell liefert das smarte Haus von heute bereits eine Menge an Daten über die Menschen, die es bewohnen. Bei moderner Ausstattung sind selbst die Küchengeräte vernetzungsfähig und besitzen Sensoren. «Theoretisch können Assistenzsysteme somit den Menschen ein Leben lang begleiten, das Haus passt sich an mit Lösungen vom Babyfon über Musikstreaming bis zur Sturzsicherung im Alter», sagt von Arx. Und für Forscher sind das spannende Projekte, denn sie können detailliert das Verhalten der Nutzer untersuchen. Das ebnet auch den Weg für Optimierungen in punkto Energiemanagement. Für die einen ist die umfassende Nutzung von Sensoren in der Wohnung eine sinnhafte Methode, um Gesundheit und Sicherheit zu wahren – für die anderen ist es eine moderne Form der Überwachung. Denn tatsächlich, so von Arx, der Mensch werde zu einem gläsernen Bewohner. Technisch ist das alles schon jetzt möglich. Aber eine Antwort auf die Frage «Dürfen wir das?» ist noch nicht gefunden. In diesem Zusammenhang setzt man sich in Luzern auch mit dem Thema «Datensicherheit» aktiv auseinander.

Dieter von Arx

Welche digitale Innovation wird die Zukunft positiv verändern?
Dieter von Arx: Die Nutzung der gesammelten Smart-Home-Daten im Hinblick darauf, dass es unser Leben erleichtern wird. Sei es bei der Optimierung unseres Energieverbrauches oder dem Aufbau von Vertrauen und Akzeptanz in Assistenzsysteme.

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