Kinder leiden in langen Krankheitszeiten doppelt, denn fern von Freunden und Mitschülern wächst die Einsamkeit. Durch den kleinen Roboter NAO können sie am Schulunterricht teilnehmen. Dieser humanoide Roboter wird somit auch zum Botschafter seiner selbst.
Von Yvonne von Hunnius
«Ich sehe euch!» – der kleine Patient ist plötzlich per Internet-Schaltung mitten im Schulzimmer. Dort blicken die Mitschüler begeistert auf einen Bildschirm, der ein Kind mit leuchtenden Augen zeigt und auf dem Kopf eines kleinen, quicklebendigen Roboters prangt. Eine Sensation! Und die Krankheit wird auf beiden Seiten kurz vergessen – versprochen. «Erst kürzlich war ich dabei, als ein Kind nach vier Monaten zum ersten Mal wieder mit seiner Schulklasse in Kontakt war – eine Riesenfreude für beide Seiten», erzählt Claudia Campera. Das sind die Momente, die ihren Job zu einem ganz besonderen machen. Campera betreut für das Roboterunternehmen Avatarion Technology AG aus Volketswil ZH die Einsätze der 25 NAO-Roboter, die im Rahmen der Avatar-Kids-Initiative in der Schweiz im Einsatz sind. Sie helfen kranken Kindern, den Kontakt zur Schule zu halten. Dabei geht es in erster Linie um den sozialen Aspekt und Technikvermittlung, um den Schulstoff kümmern sich spezielle Lehrer.
NAO holt Kids aus dem Schatten
NAO ist eine ausgezeichnete Vertretung, wie sich in den letzten vier Jahren herausgestellt hat. Der humanoide Roboter aus dem Hause Softbank wurde von Avatarion speziell programmiert und mit passendem Zubehör versehen. Ein kindergerechtes Computerprogramm auf dem Tablet ermöglicht dem kranken Kind, Aufgabenblätter zu bearbeiten wie seine Mitschüler. Es kann über ein Interface sogar den Roboter dazu bewegen, in der Klasse den Arm zu heben, wenn es etwas beisteuern will. Durch NAO sollen die kranken Kinder aus dem Schatten treten und das bringt vielen wieder mehr Lebensfreude und -mut.
Die Roboter sind im Besitz von Spitälern, Reha-Kliniken oder Institutionen wie dem Schulärztlichen Dienst Zürich oder dem kantonalen Autismuszentrum in Lausanne. Die Kosten von jeweils rund 25‘000 Franken werden nicht von den Gesundheitseinrichtungen, Schulen oder Eltern getragen: Avatar Kids wird immer möglich durch Sponsoren wie die Krankenkasse Helsana oder die Stiftung «Planètes Enfants Malades».
Hightech im Klassenzimmer
Wenn NAO tanzt, machen die Kids mit. Wenn er die Bewegungen von Sportarten imitiert, versuchen sie diese mit heller Begeisterung zu erraten. Und wenn er fällt, dann stehen viele Helfer bereit. Sein kindliches Antlitz und seine Kleinkind-Bewegungsmuster sind natürlich gewollt und haben einen Jöh-Effekt, dem sich niemand entziehen kann. Dahinter versteckt sich aber modernste Hightech der Spitzenklasse. Somit bringt NAO durch seine Besuche der Schulklasse nicht nur das abwesende Kind näher, sondern auch sich selbst. Er macht Robotertechnik für Kinder im wahrsten Sinne des Wortes begreifbar und soll Ängste vor der Technik verringern. Entwickelt wurde NAO genau zu diesem Zweck im Labor der Kindercity, einem Wissenschaftspark für Kinder von Sandrine und Jean Christophe Gostanian. Letzterer ist auch der Kopf des Unternehmens Avatarion.
Bewegungspunkte machen NAO agil
NAO ist ein kleines Wunderwerk. Die dazugehörige Software steht auf Open-Source-Basis der Entwicklergemeinde schon einige Jahre zur Verfügung und wird permanent weiterentwickelt. NAO bildet seit 2008 sogar die Standardplattform des RoboCup, einer Roboter-Fussballweltmeisterschaft, zu der sich jährlich internationale Wissenschaftler treffen, um mit ihren neuesten Roboter-Innovationen im Fussball gegeneinander anzutreten.
Seit seiner «Geburt» ist NAO zwar nicht gewachsen – er ist immer noch 60 Zentimeter gross –, aber stetig schlauer und mobiler geworden. Avatarion-Chefentwickler Marcus Baghdassarian erklärt: «Wie technisch ausgeklügelt NAO ist, sieht man an den vielen Bewegungspunkten, die ihm beispielsweise das Tanzen erlauben. Hier ist man recht nahe an der Evolution des Menschen.» Eine riesige Herausforderung für einen Roboter.
NAOs grosser Bruder Pepper
Der Roboter Pepper hat in der Schweiz sogar schon erfolgreich in Hotels und Banken angeheuert. Mit 1,20 Meter Grösse und teilweise durch Sensoren bestückten Fingern sowie künstlicher Intelligenz ist er soweit ausgestattet, um Assistentenjobs zu verrichten. Unter anderem mithilfe einer Verbindung zu Watson, einer IBM-Plattform für künstliche Intelligenz, kann er Menschen wiedererkennen und einfache Gespräche führen. Der Roboter stammt ebenso aus dem Hause Softbank und wird seit 2016 von Avatarion Technology AG in der Schweiz vertrieben.