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Interview mit Dominik Landwehr

Der Mensch schafft Maschinen und Roboter, nutzt sie und gibt an sie auch etwas ab, was Teil seiner Identität war. Im Sammelband «Machines and Robots» vom Migros-Kulturprozent begeben sich acht Autoren auf eine Spurensuche in Kunst, Literatur, Film und Musik. Herausgeber Dominik Landwehr über Mythen und die dunkle Seite der Macht.

Interview: Yvonne von Hunnius

Zumindest in Sachen Kreativität wähnen wir Menschen uns Maschinen überlegen. In Ihrem Sammelband analysiert Mads Pankow, inwieweit künstliche Kreativität die menschliche ersetzen könnte. Wird auch diese vermeintlich letzte Bastion fallen? 


Dominik Landwehr: Das, was wir unter Kreativität verstanden haben, wurde definitiv überschätzt. Kreativität ist zum Teil ein Mythos. Immer mehr Programme übernehmen Leistungen, die wir dem Feld der Kreativität zugeordnet haben. Nicht alles ist kreativ, was auf Variationen beruht. Ist ein Affe kreativ, wenn er mit Farbe etwas malt? Pankow führt dafür eine Software an, die nach Analyse von Rembrandts Werken einen künstlichen Rembrandt auf die Leinwand bringt. Bruno Spoerri stellt in unserem Buch die Frage in Bezug auf die Musik sehr radikal. Da wird sich etwas verschieben, aber vermutlich ist noch Platz für den Menschen.

Vermutlich?


 Es ist davon auszugehen, dass uns Menschen noch einige Kränkungen bevorstehen – wenn wir im Duktus der Aufzählungen der «Kränkungen der Menschheit» bleiben. Danach ist eine der ersten Kränkungen, was Kopernikus ans Licht brachte, dass die Erde und damit der Mensch nicht Mittelpunkt der Welt ist. Hinzu kommt, dass Maschinen mehr vermögen, als wir uns vorstellen könnten. Ich glaube, wir müssen die Zukunft im Kontext dieser Kränkungen sehen. Und dafür braucht es eine Neudefinition dessen, was den Menschen ausmacht. Das entspringt keiner pessimistischen Weltsicht, sondern ist meiner Meinung nach schlichtweg ein geschichtlicher Prozess.

Dabei dürfte sich auch die Definition der Arbeit ändern. Stimmen Sie der These zu, dass die Automatisierung uns von mühseligen Tätigkeiten befreit?


 Da bin ich vorsichtig. Es ist eine alte Utopie, den Menschen von den beschwerlichen Aufgaben des Alltags befreien zu wollen, damit er sich anderem zuwenden kann. Aber stellen wir uns die Frage, ob das erstrebenswert ist? Die Feststellung, dass zum Beispiel repetitive Handarbeit gegenüber geistiger Arbeit minderwertig ist, wird durch einen bestimmten Blickwinkel geprägt. Dem kann aus einer anderen Perspektive widersprochen werden.

Ist es diese Vielschichtigkeit, die uns «Machines and Robots» durch die Augen von Kunst, Literatur, Film und Musik vermitteln will?


 Es fragt sich doch, wie wir mit Robotik, Digitalisierung und künstlicher Intelligenz umgehen. All das ist nicht mehr wegzudenken und dabei macht sich eine Art kollektive Überforderung breit. Letztlich ist es keine Option, den Kopf in den Sand zu stecken. Die Mittel von Kunst und Kultur sind eine gute Möglichkeit, den gesellschaftlichen Rahmen für die Problematik aufzuzeigen. Und diesen Anspruch hat das Migros-Kulturprozent als Förderer von Projekten im Grenzbereich zwischen Kunst, Technologie und Unterhaltung.

Also hilft es, genauer hinzusehen, um dieser Überforderung zu begegnen? 


Nehmen wir allein den Begriff «Roboter». Das ist ein Kunstwort, das der tschechische Autor Karol Čapek für künstliche Menschen geprägt hat, lange bevor ernsthaft an Roboter zu denken war, was aber einem Zeitgefühl entsprach. Erstmals verwendet er es 1920 in seinem dystopischen Drama «R.U.R.», in dem Roboter die Macht übernehmen. Seitdem hat sich die Vorstellung extrem festgesetzt, dass Maschinen die Macht über uns übernehmen. Wir sollten uns bewusst sein, dass diese kulturelle Prägung immer mitschwingt, wenn wir über Robotik und Automation sprechen. Roboter sind heute aber nicht mehr unbedingt zweibeinige Wesen mit Kulleraugen sondern Prozesse. In Stanley Kubricks Film «2001: Odyssee im Weltraum» steht ja HAL im Mittelpunkt, ein unsichtbarer Roboter, der die Kontrolle über die Raumstation übernimmt.

Mit diesem negativen Bild haben viele Robotik-Wissenschaftler zu kämpfen … 


Daran schliessen Science-Fiction-Filme an, die zu einem grossen Teil ein negatives Bild zeichnen. Es geht nicht selten um den Kampf zwischen Mensch und Maschine, um gefährliche Replikanten, um dystopische Umgebungen. Darüber habe ich vor einiger Zeit mit einem Film-Experten gesprochen. Er begründete es damit, dass düstere Zukunftsvisionen dramaturgisch einfach interessanter seien: Spricht ein Film Ängste an, kann er tiefenpsychologisch ein grosses Reservoir anzapfen. Wir werden stark von Ängsten geleitet.

Das dürfte dann in stärkerem Masse auf Europäer zutreffen, denn gerade hier herrscht ja eine besondere Skepsis gegenüber Technik, Digitalisierung und Robotik. 


Es stimmt, dass in der angelsächsischen Welt viel mehr Optimismus und Zukunftsgläubigkeit in Bezug auf Technik zu finden ist. Das unterscheidet sich deutlich von der westeuropäischen Sichtweise.

Sollten wir uns etwas von diesem Optimismus abschauen?


 Es hat alles zwei Seiten: In den USA ist man prinzipiell optimistisch, in Europa ist man skeptischer. Als herauskam, dass die NSA in Deutschland Daten anzapft, zogen sich Vertreter des «Chaos Computer Clubs» zu Recht T-Shirts über mit der Aufschrift «We told you so». Es gilt aufmerksam zu sein gegenüber einem wachsenden dunklen Potenzial, das mit diesen Entwicklungen einhergeht. Das müssen beispielsweise auch Start-ups im Digitalbereich immer mitdenken. Das könnte ja auch Grundlage für ein Geschäftsmodell werden, das den Usern die Kontrolle über ihre Daten zurückgibt.

Anders gefragt: Sind wir skeptischen Europäer auf dem richtigen Weg? Marc Zuckerberg hat ja kürzlich europäischen Datenschutzbestimmungen vorsichtig recht gegeben. 


Ich denke, die Skepsis ist angebracht und berechtigt. Alle Firmen – auch Google und Facebook – müssen sich den jeweiligen Gesetzen unterordnen und sie tun das in der Regel auch, wenn auch nicht immer mit grosser Begeisterung. Wir müssen uns überlegen, was reguliert werden muss und hier sind wir tatsächlich noch nicht sehr weit. Ich stelle auch fest, dass es beim Publikum eine gewisse Sorglosigkeit gibt. Wenn etwas nützlich erscheint, wird es einfach benutzt.

Beim Migros-Kulturprozent sind Sie auch verantwortlich für bugnplay, einen Wettbewerb zum Thema Technologie und Medien. Ist der kritische Umgang mit neuen Technologien hier Thema?


Es ist ein Projekt ohne Zeigefinger-Pädagogik: Wer selber etwas produziert, lernt das Potenzial einer Technologie sehr konkret kennen und beschäftigt sich damit und genau das ist auch unser Ziel.

Machines and Robots


Wie Robotik, Digitalisierung und Künstliche Intelligenz unsere Lebensbedingungen verändern, ist die zentrale Frage des fünften Bands der Edition Digital Culture vom Migros-Kulturpozent. Dabei gibt er Einblicke in aktuelle Forschungsfragen und erkundet künstlerische Potenziale und Fragestellungen. Mit Beiträgen sind Raffaello D’Andrea, Andreas Broeckmann, Roland Fischer, Martina Kammermann, Bruno Spoerri, Philipp Theisohn, Mads Pankow und Roland Wetzel vertreten.

«Machines and Robots», Migros-Kulturprozent – Dominik Landwehr (Hg.), Edition Digital Culture 5, Engl/dt, Christoph Merian Verlag, www.merianverlag.ch

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