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Know-How?

Für Start-ups ist das eigene Wissen das wichtigste Kapital. Wie kann man es aber am besten vor der Konkurrenz schützen? Die Experten Kilian Schärli und Hélène Heinecke von der Kanzlei Meyerlustenberger Lachenal Ltd. (MLL) geben Tipps, woran Start-ups denken sollten.

Begriff


Der Begriff «Know-how» beschreibt Kenntnisse, welche nicht durch ein Immaterialgüterrecht, insbesondere durch ein Patent, geschützt sind. Solche Kenntnisse sind etwa Fabrikations- und Geschäftsgeheimnisse, die bei der Herstellung und dem Vertrieb von Gegenständen entstehen oder bei der Einbringung von Dienstleistungen angewendet werden. Dazu gehören weiter Rezepturen, (noch) nicht patentierte Erfindungen, Erfahrungswerte, Kalkulationen, vertrauliche Geschäftsbeziehungen, Abmachungen mit Dritten, Kundenlisten oder Strategiepläne. Berühmtes Beispiel für Know-how ist die bestgehütete Coca-Cola-Rezeptur, welche seit über 130 Jahren geheim gehalten wird. Diese geheimen Kenntnisse sind nur einem beschränkten Personenkreis bekannt und verschaffen gegenüber aussenstehenden, nicht wissenden Dritten einen Wissensvorsprung. Entsprechend ist es besonders wichtig, die Kenntnisse geheim zu halten und den Personenkreis nicht auszuweiten. Die Geheimhaltung verschafft dem Inhaber einen Wettbewerbsvorteil, der mit der Verwertung der geheimen Kenntnisse einhergeht.

Der Geschäftsgeheimnisbegriff beschränkt sich auf Informationen, die nicht öffentlich bekannt oder zugänglich sind. Der Träger hat dabei ein legitimes Interesse an deren Geheimhaltung (objektives Geheimhaltungsinteresse) und beabsichtigt, diese Informationen geheim zu halten (subjektives Geheimhaltungsinteresse). Beim Geheimnisherrn wird es sich in den meisten Fällen um ein Unternehmen handeln, in welchem das Fabrikations- und Geschäftsgeheimnis genutzt wird.

Know-how als Alternative zum Patentschutz


Insbesondere bei patentierbaren Kenntnissen besteht Know-how an den Forschungs- und Entwicklungsergebnissen bereits bevor die Erfindung patentiert wird. Ein Unternehmen kann aber auch bewusst auf die Patentierung seiner Kenntnisse verzichten und eine Offenbarung der betreffenden Informationen vermeiden und stattdessen auf faktische Geheimhaltung setzen.

Dies ist jedoch nur sinnvoll, wenn die Erfindung sich aus dem vermarkteten Produkt nicht direkt nachvollziehen lässt. In gewissen Branchen mit kurzen Produktzyklen ist Patentschutz zudem nicht unbedingt sinnvoll, denn bis das Patent erteilt ist, sind bereits neue Produktgenerationen auf den Markt.

Trotz des hohen Schädigungspotenzials im Falle der Offenbarung des Geheimnisses, kann die im Unterschied zum Patent unbegrenzte Schutzdauer wirtschaftlich attraktiv sein. Nebst den wirtschaftlichen Einbussen durch das Bekanntwerden besteht zudem das Risiko, dass Dritte die technische Lösung selber nutzen und sogar patentieren lassen.

«NON DISCLOSURE AGREEMENTS» Vertraulichkeit


Im Geschäftsverkehr werden bei der Zusammenarbeit zwischen Unternehmen, Lieferanten, Kunden, Geschäftspartnern etc. in vielen Fällen Know-how bzw. Geschäfts- und Fabrikationsgeheimnisse verwendet und übermittelt. Zum Schutz des Know-hows ist eine vertragliche Regelung des sog. Know-how-Transfers wesentlich. Eine solche kann als eigenständige sog. Vertraulichkeitsvereinbarung («Non-Disclosure-Agreement», NDA) ausgestaltet werden oder als entsprechende Klausel in einem Lizenz- oder Know-how-Vertrag integriert sein. Nebst der Umschreibung der geheimen Informationen sind das Verbot der Offenlegung, mögliche Schutzmassnahmen, eine Klausel zum Gebrauch innerhalb des Unternehmens, die Dauer und insbesondere die Pflicht zur Bezahlung einer empfindlich hohen Konventional- bzw. Vertragsstrafe im Falle der Verletzung der Vertraulichkeit durch den Informationsempfänger zu regeln. Je nach Wettbewerbsrelevanz des Know-hows ist eine tiefergehende Rechtsberatung bei der Vorbereitung des NDA und entsprechenden Klauseln unabdingbar.

Vorsichtsmassnahmen im Unternehmen


Geheime Kenntnisse in einem Unternehmen bergen unabhängig ihrer Form (physische Schriftstücke, elektronisch gespeicherte Daten, Wissen von Mitarbeitenden etc.) das Risiko, offenbart zu werden. Nicht nur Cyberattacken von aussen, auch eigene Mitarbeitende bzw. sog. «Insider» oder Geschäftspartner können die Geheimhaltung von Know-how gefährden. Folglich sind im Unternehmen besonders wichtig:

Sensibilisierung der Mitarbeitenden
für das betriebsinterne Know-how.


Sorgfältige Auswahl der Geschäftspartner
und Mitarbeitenden.


Schaffung bzw. Unterhalt einer sicheren
Arbeitsplatz-, Organisations- und IT-Infrastruktur.


Kenntnisse der Gesetzeslage rund um
Geschäfts- und Fabrikationsgeheimnisse
in anderen Ländern sowie Verständnis der dort
herrschenden Gewohnheiten in einer Branche.


Festlegung und vertraglich verbindliche Regelung
des anwendbaren Sorgfaltsmassstabs hinsichtlich
technischer und organisatorischer Massnahmen
zum Schutz von geheimem Know-how inkl. Sanktionen
(intern: z.B. Arbeitsvertrag, Reglemente und Schulungen;
extern/Dritte: z.B. NDA oder Know-how-Vertrag).

EU-Richtlinie zum Schutz von Know-how


Aufgrund der grossen wirtschaftlichen Bedeutung von Know-how, hat sich die EU mittels einer Know-how-Richtlinie zum Ziel gesetzt, einen einheitlichen Mindeststandard zum Schutz von Unternehmensgeheimnissen zu schaffen. Die Richtlinie (EU) 2016/943 sollte bis Juni 2018 in den Mitgliedstaaten umgesetzt werden. Dabei wird für den Geheimnisschutz von Know-how von folgender Definition ausgegangen: Als Geschäftsgeheimnis gelten Informationen.

die geheim sind


die einen kommerziellen Wert haben,
weil sie geheim sind


und die Gegenstand angemessener
Geheimhaltungsmassnahmen sind.

Für viele Unternehmen kann gerade das letzte Erfordernis, der «angemessenen Geheimhaltungsmassnahmen», zu Handlungsbedarf führen. In Deutschland lag nach bisherigem Recht zum Beispiel bereits ein Geschäftsgeheimnis vor, wenn eine geheime Tatsache von kommerziellem Wert nach dem erkennbaren subjektiven Willen des Inhabers geheim gehalten werden sollte.

In prozessualer Hinsicht wird dieser blosse subjektive Wille in Zukunft nicht mehr ausreichen. Fortan obliegt dem Geheimnisinhaber die Beweislast des objektiven Merkmals der vorgenommenen Schutzmassnahmen. Als Beispiel für solche Massnahmen sind physische Zugangsbeschränkungen und vertragliche Sicherungsmechanismen denkbar.

Auswirkung DER EU-Richtlinie auf die Schweiz


Die EU-Richtlinie hat keine unmittelbare Auswirkung auf die Schweiz. Die Geschäftsgeheimnisse von Schweizer Unternehmen fallen grundsätzlich nicht unter die EU-RL. Anders ist die Situation, wenn ein EU-Unternehmen ein Schweizer Unternehmen in der EU wegen angeblicher Geschäftsgeheimnisverletzung verklagt. Sodann ist die lokale Gesetzgebung im EU-Mitgliedstaat unter Umständen anwendbar. Andersherum, wenn ein Schweizer Unternehmen ein EU-Unternehmen in der Schweiz wegen angeblicher Geschäftsgeheimnisverletzung verklagt, gilt das internationale Privatrecht.

Know-how Gesetzgebung in der Schweiz


Noch ist in der Schweiz keine neue Gesetzgebung geplant und es besteht weiterhin ein fragmentiertes Regelwerk für Geschäftsgeheimnisse. Aus dem Grund gibt es auch keinen einheitlichen Begriff für das Geschäftsgeheimnis und er kann durch verschiedene Normen überschneidend erfasst sein. Der Geheimnisschutz in der Schweiz ist insbesondere in folgenden Bestimmungen enthalten:

Art. 4 lit. c., 5, 6 und 2 UWG – Anstiften,
Auskundschaften, Verwerten, Verletzen von
Arbeitsergebnissen/Geschäftsgeheimnissen. (Äquivalent zur «Reverse Engineering»
Schranke aus der EU-RL)


Art. 321a OR – Treuepflicht des Arbeitnehmers


Art. 162 StGB – Verletzung von Fabrikations- und
Geschäftsgeheimnissen


Art. 273 StGB – Wirtschaftlicher Nachrichtendienst


Art. 321 StGB – Verletzung des Berufsgeheimnisses


Art. 47 BankG – (weitere sektorspezifische
Geheimnisvorschriften)


Art. 3 lit. b. DSG; Datenschutzrecht für juristische Personendaten (eine Schweizerische Besonderheit)


Div. Prozessgesetze (z. B. Art. 156 ZPO);
Vertrauensschutz für im Prozess eingereichte
Geschäftsgeheimnisse

Fazit und Ausblick


Zurzeit bleibt im Schweizerischen wie auch im EU-Recht ein durchdachtes Gesamtkonzept für einen umfassenden Ordnungsrahmen für Know-how-Schutz aus. Auch die Know-how-Schutz- RL der EU hat wenig zu einem einheitlichen Schutzniveau beigetragen und es besteht weiterhin ein Nebeneinander anstatt ein Miteinander von Geheimnisschutz, Immaterialgüterrecht und Datenschutzrecht. Die Gesetze sind gezwungen, sich offener Formulierungen zu bedienen, um für künftige technologische Entwicklungen Raum zu lassen. Diese offen formulierten Regelungen ermöglichen zwar einen grossen Umsetzungsspielraum, aber stellen den Know-how-Inhaber gleichzeitig vor Rechtsunsicherheit und Auslegungsfragen. Um das Offenkundigmachen von Geheimnissen und den Diebstahl zu verhindern, bleibt also der präventive Schutz von Know-how essenziell und die Bedeutung betriebsinterner Schutzstrategien (Audits, Compliance) sowie einzelfallspezifischen vertraglichen Abreden wird weiter zunehmen. In der nächsten Ausgabe des «booster»-Magazins wird auf den Urheberrechtsschutz näher eingegangen.

Weitere Infos unter
www.mll-legal.com

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