Von Steffen Klatt
In der Wirtschaft hat lange gegolten: Offene Märkte sind gut, niedrige Zölle fördern den Handel und schaffen Arbeitsplätze. Doch seit Donald Trump über die Bühne der Welt zieht, ist alles anders. Da sollen nun möglichst hohe Zölle möglichst nur ein Land wohlhabend machen – seines. Man muss kein neoliberaler Turbo sein, um zu sehen: Das wird nicht gut gehen. Die Welt ist zu sehr vernetzt, die globale Arbeitsteilung zu komplex, als dass die Unterbrechung der weltweiten Lieferketten mehr Wohlstand bringen kann – und sei es nur in einem einzelnen Land. Wenn Apple nicht mehr in China herstellen kann, wird sein iPhone (noch) teurer. Wenn Boeing die Teile für seine Flugzeuge nicht mehr in der ganzen Welt einkaufen kann, werden seine Flieger auch teurer – und vielleicht will sie dann ohnehin niemand mehr kaufen, weil in Europa und anderswo dann nur noch Airbus fliegt. Statt Coca-Cola können wir ja auch Rivella oder Ramseier trinken, zum Beispiel.
Pech für Amerika, aber auch Pech für den Rest der Welt. Und erst recht Pech für die kleinen Volkswirtschaften. Die Schweiz ist in einer besonders ungemütlichen Lage. Ihr Aussenhandelsüberschuss beträgt laut dem Internationalen Währungsfonds satte 80 Milliarden Dollar. Zum Vergleich: Chinas Überschuss, der den grossen Zorn Trumps geweckt hat, ist mit 165 Milliarden Dollar nur doppelt gross. Klar, einige kleine asiatische Volkswirtschaften weisen einen ähnlich hohen Überschuss wie die Schweiz auf: Singapur und Südkorea etwas weniger, Taiwan sogar etwas mehr.
Aber der Schweiz macht noch ein weiteres Problem zu schaffen: Sie liegt mitten im Wirtschaftsgebiet eines anderen grossen Akteurs, der EU. Und die einst guten Wirtschaftsbeziehungen zum grossen Nachbarn fransen aus. Sichtbar wurde das Mitte Juli. Da führte Brüssel Zölle von 25 Prozent auf Stahlimporte ein. Zwar werden sie nur auf diejenigen Importmengen erhoben, die über das mehrjährige Importvolumen der 28 EU-Länder hinausgehen. Doch das bedeutet, dass die Schweizer Anbieter nun den Kürzeren ziehen, wenn andere Lieferanten schneller gewesen sind. Und Europa ist noch immer der wichtigste Markt für den letzten Rest der Schweizer Stahlhersteller. Die anderen Nicht-EU-Mitglieder in Westeuropa sind von dieser EU-Massnahme dagegen nicht betroffen. Denn sie gehören dem Europäischen Wirtschaftsraum an.
Wenn es ungemütlich wird in der Welt, dann sollte man Freunde haben. Doch wenn man die Schweizer Aussenpolitik der letzten Jahre ansieht, dann wirkt sie so, als brauche sie keine Freunde. Der USA hat sie vor einem guten Jahrzehnt einen Korb gegeben, als Washington ein Freihandelsabkommen wollte. Die Bilateralen mit der EU lässt sie verfallen. Die Sanktionen des Westens gegen Russland trägt sie mit. Und China, der andere grosse Akteur in der Welt, hält sich in Europa eher an die Grossen, vor allem an Deutschland.
Die Wahrscheinlichkeit, dass die globale Politik rasch wieder in eine Welt vor Trump zurückkehrt, ist gering. Macht wird künftig mehr zählen, Recht weniger. Die Schweiz wird nie eine Macht auf globaler Ebene sein. Also sollte sie sich Freunde suchen. Zum Beispiel da, wo sie es sie tatsächlich gibt: in Europa. Solange sie noch bereit dazu sind.