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Start50+Ältere Gründer sind realistischer

Ältere Gründer sind realistischer

Vielleicht weniger Elan, dafür mehr Erfahrung und Ordnungskraft: Rund ein Drittel der Selbständigkeitsanwärter sind über 50-jährig. Und das Alter kann Vorteil sein, sagt Donato Ponzio, Leiter der Fachstelle Selbständigkeit im Zürcher Amt für Wirtschaft und Arbeit.

Interview: Yvonne von Hunnius

Wie bewerten Sie die Chancen von über 50-Jährigen, sich selbständig zu machen?Das Alter kann ein Vorteil sein, da im Laufe der Zeit einiges an Erfahrung gesammelt worden ist. Persönliche und berufliche Reifung sowie Netzwerke sind wichtig. Während ich bei Jüngeren eher Gestaltungskraft spüre, ist es bei Älteren eher Ordnungskraft, die hilfreich für ein selbständiges Projekt sein kann und an die Tradition anknüpft, Alte um Rat zu fragen. Die Kunst ist, gehört zu werden, und das setzt voraus, auch etwas zu sagen zu haben. Reflexion ist für die Wirtschaft ein heilender Aspekt – wertvoll und damit auch wertschöpfend.

Welche Fehler vermeiden über 50-Jährige tendenziell im Vergleich zu jüngeren?Ältere Menschen sind oft realistischer. Die Budgets werden vorsichtiger, die Zeitspanne, die zur Verfügung steht, wird überschaubarer. Damit ist die Selbständigkeit breiter im Leben eingebettet. Es wurden vielleicht schon einige Dummheiten gemacht und die Lust auf weitere ist gedämpft. Im Guten bedeutet es, dass ältere Menschen besser mit eigenen Bedürfnissen und Wünschen umgehen. Das Wachstum wird organischer bedacht. Ich sehe eher Chancen durch Sorgfalt, Klarheit, Einbettung, Erfahrung.

Und in welche Fallen tappen sie eher als jüngere? Frischer Wagemut und unbekümmerte Wahrnehmung von Opportunitäten werden manchmal gebremst durch die unterschiedlichen Erfahrungen. Und teils sind auch Energie-Ressourcen knapper, der Körper erfordert mehr Aufmerksamkeit. Das zu vergessen, ist schmerzlich.

Haben Ü50-Gründer einen Vorteil, indem sie mehr Menschen kennen? Ja, wenn die gesamte Sippe mit am Lagerfeuer sitzt und ich erzählen kann, was mich bewegt und wohin ich will, kann das sehr hilfreich sein. Das haben mir 20 Jahre Erfahrung mit Selbständigen gezeigt. Es ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor, getragen zu sein von Freunden, Unterstützung zu bekommen und anzunehmen. Wenn ich mich selbständig machen will, brauche ich meine Sippe – und die Sippe kann zusammengerufen werden. Ich muss mich nur überwinden und manchmal zuerst auf die Suche gehen. Diese Herausforderung besteht in jedem Alter. In einem kohärenten Umfeld eigebettet zu sein, gibt Sicherheit. Das Fangnetz der eigenen Sippe ist das wahrscheinlich einzige tragfähige Netz, bei dem die Würde gewahrt werden kann.

Gründen die meisten über 50-Jährigen, weil sie nichts anderes finden?
Das Thema, dass ab 50 die Stellensuche schwieriger wird, berührt auch uns. Allerdings akzentuiert sich das eher Richtung 58+. Das hat oft mit den Pensionskassen der potentiellen Arbeitgeber zu tun, wo Frühpensionierungen ab 58 möglich sind. Warum jemanden einstellen, der bereits nach Vertragsunterschrift einen vorzeitigen Altersrücktritt einreichen könnte? Daher werden Projekte oft an Personen und Firmen vergeben, die dann «selber» abrechnen. Fixkosten aufgrund einer Anstellung werden unbeliebter, projektbezogene Kosten beliebter. Generell ist die Idee der traditionellen Feststelle unter Druck. Ältere Personen, die längere Zeit beim gleichen Arbeitgeber waren, spüren es intensiver, wenn sie die Stelle verlieren. Junge sind diese Flexibilität gewohnt.

In welchen Bereichen machen Ältere sich selbständig? Tendenzmässig vorwiegend im Dienstleistungsbereich – meist im Beratungsbereich, wo projektorientiert Expertise gefragt ist. Der kreative Bereich fällt insofern auch auf, als dass dort die traditionellen Arbeitsformen schon länger unter Druck sind. Ein interessantes Feld ist die Beschäftigung mit den eigenen Problemen als Motivation, ebensolche für andere zu lösen. So wird etwa der Stellenverlust zum Motor, um andere in dieser Situation zu beraten. Daraus kann viel Gutes entstehen. Manchmal führt es in andere Bereiche oder auch in eine neue Anstellung. Ein weiteres Feld ist die Identifikation mit eigenen Schwächen und Stärken wie: «Ich kann gut Steuererklärungen ausfüllen, da kann ich doch anderen helfen.»

Wie sieht die Aufteilung zwischen Männern und Frauen aus? Ab dem Alter 50+ sehen wir mehr Männer, die sich selbständig machen, darunter sieht das Verhältnis ausgeglichener aus. Warum das so ist, lässt sich spekulativ vielleicht so erklären, dass der Rückzug ins Private bei älteren Frauen eher gesellschaftsfähig ist als bei älteren Männern. Das wird sich wohl ändern. Ein weiterer Aspekt ist der Druck, der mit den Positionen auf der Karriereleiter korreliert. Wenn er nicht mehr zu ertragen ist, gehen Männer in die Selbständigkeit. Ältere Frauen sind noch weniger in solchen aufreibenden Positionen. Aber auch das ändert sich langsam.

Wie lange sollte man aushalten, bis es läuft? Wir haben keine konkreten Zahlen darüber. Ein Risiko besteht, wenn in einem gewissen Alter die Pensionskasse bezogen wird, um Durststrecken zu überbrücken. Wenn dieses Geld aufgebraucht ist, bleiben schlimmstenfalls die Sozialhilfe und im Rentenalter Ergänzungsleistungen. Dann wird es knapp. Wie die
Arbeitskraft eingesetzt werden kann, um ein würdiges Leben zu ermöglichen, ist eine herausfordernde Frage. Die Gesellschaft hat noch keine kohärente Antwort. Selbständigkeit ist eine private Antwort.

Wie können Sie konkret helfen mit Arbeitslosenversicherung & Co? Die Arbeitslosenversicherung deckt den Schadenfall Stellenverlust für eine gewisse Zeit ab. In dieser kann eine versicherte Person mit Beratung unterstützt werden. Ist innerhalb der Wiedereingliederungsstrategie in den Arbeitsmarkt die Selbständigkeit denkbar, werden im Kanton Zürich die versicherten Personen an die Fachstelle Selbständigkeit verwiesen. Wir helfen, sich besser zu orientieren: in persönlichen Bereichen wie Gesundheit, sozialer Vernetzung, Fachkenntnissen, Praxiserfahrung, Finanzen und im Bereich des Marktes bei Kundenbedürfnissen, vertiefter Marktabklärung. Lässt das gezeichnete Fundament die Entscheidung zu, in den Markt einzutreten, bietet die Arbeitslosenversicherung Instrumente an, um gut vorbereitet zu starten. Es gibt keine Starthilfen, aber Erleichterungen zur Vorbereitung der eigenen Firma und Unterstützung in unternehmerischen Grundfragen. Das kann sehr hilfreich sein.

Donato Ponzio (58) arbeitet seit 20 Jahren mit Selbständigen beziehungsweise solchen, die es werden wollen. Er ist Leiter der Fachstelle Selbständigkeit des Amtes für Wirtschaft und Arbeit im Kanton Zürich.

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