Die Schweiz wird wieder zu einem Bierland. Hunderte Brauereien sind in den vergangenen Jahren entstanden. Die meisten davon dienen dem Plausch ihrer Gründer, manche sind schon erfolgreiche Unternehmen, viele irgendwo dazwischen. Zum Beispiel die Brauerei im Berg in Weisslingen.
Von Steffen Klatt
Weisslingen liegt oberhalb des Tösstals. Oberhalb des Dorfes, auf einem Hügel, liegt die alte Kirche des Dorfes. Oberhalb der Kirche liegt der alte Hof der Denzlers. Und oberhalb des Hofes, auf der anderen Strassenseite, da ist die neue Brauerei. Wer samstags hier vorbeikommt, kann sich das frische Bier selber abholen. Oder seine eigene Geschmacksrichtung bestellen, für einen anderen Samstag.
Platz in neuer Überbauung
Dave und Samuel Denzler sind hier aufgewachsen. Der Hof ist seit Generationen in der Hand der Familie. Bauern sind sie schon eine Weile nicht mehr, der Vater ist Bühnenbildner, der Schopf ist seine Werkstatt. Aber verwurzelt sind sie hier alle. Wenn Wahlen im Dorf anstehen, steht immer mal wieder ein Denzler auf der Liste. Arbeiten dagegen kann man auch in der Stadt. Dave zum Beispiel, Maschinenbauingenieur, arbeitet unten in Winterthur an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften, dem einstigen Technikum.
Zum Bier kamen die Brüder eher zufällig. Ein Kollege hatte einen Kessel in der Küche, 40 Liter. Aber für so wenig Bier jeweils drei Monate warten, bis es fertig ist, das war nicht lustig. Da kam eines Tages der Vater herein und fragte, ob sie nicht Lust auf eine richtige Brauerei hätten. Er wollte den Hang neben dem Haus überbauen, eben den auf der anderen Strassenseite. Und damit würde es ausser dem Platz für Garagen auch Platz für Gewerbe geben, 180 Quadratmeter. Würde doch genau passen, oder?
Viele Aktionäre, keine Kredite
Das passte genau. Nur verschulden wollten sich die Brüder nicht – Dave hatte mit seiner Frau zwei kleine Kinder, Samuel war verheiratet. Also stellten sie sich einmal vor den Volg im Dorf und warben für die Idee, ein andermal luden sie im Oktober 2015 Freunde und Bekannte zu einem grossen Fest in den Garten. Am Ende hatten sie 140 Aktionäre für die Brauerei im Berg AG zusammen. Das Geld reichte für Sudhaus, fünf Lagertanks und die restliche Einrichtung. 2017 ging es los, 15 000 Liter wurden gebraut. In diesem Jahr werden es wohl bis zu 25 000 Liter werden.
Der Absatz ist eigentlich weniger das Problem: Sehr viel Bier wird an der Rampe verkauft, samstags und sonst auch, manche Aktionäre lassen sich das Bier auch nach Hause bringen. Im Frisk Fisk, einer neuen Fischbeiz in Winterthur, wird das Bier offen ausgeschenkt. Über den Getränkehändler Hako werden in Winterthur andere Beizen mit Flaschen beliefert.
Limitierte Arbeitszeit
«Das eigentliche Limit ist heute die Arbeitszeit», sagt Dave Denzler. Die Arbeit im Sudhaus, das sind jedes Mal zwölf Stunden am Stück. Nun diskutieren die Brüder, wie sie mehr Arbeit in die Brauerei stecken können. Wenn dann die Lagerkapazität auf 8000 bis 10 000 Liter verdoppelt wird, dann könnte der Betrieb tatsächlich selbsttragend werden. Heute geht das nur, weil die meiste Arbeit nicht bezahlt wird.
Es soll nicht beim Bier bleiben: Eine Beiz, dazu Catering, soll zum andern Standbein der Brauerei im Berg werden. Denn es geht nicht nur um das Geld. Es geht vor allem um den Plausch. Und den hat man, wenn man mit vielen anderen bei einem guten Bier zusammensitzt.
Kleinbrauereien erleben eine Wiedergeburt
Die Schweiz ist lange ein Land der Biermonopole gewesen. Bis Anfang der 90er-Jahre beherrschten ein paar grosse Brauereien das Land, darunter Feldschlösschen in der Nordwestschweiz, Cardinal in der Westschweiz, Hürlimann in Zürich, Calanda in Graubünden. Rund 70 Brauereien gab es damals, ähnlich viele wie ein halbes Jahrhundert zuvor. Dann lösten sich die Monopole auf, die niederländische Heineken und die dänische Carlsberg kauften die meisten regionalen Platzhirsche auf, die Zahl der Brauereien brach nochmals ein.
Und dann hatten die Konsumenten genug vom Einheitsbier der Konzerne. Seit Ende der 90er-Jahre explodiert die Zahl der Brauereien. The Brewers of Europe, die europäische Branchenorganisation, verzeichnete in ihrem Länderbericht 2016 für die Schweiz 753 aktive Brauereien. Der Konsum blieb dabei mit rund 4,6 Millionen Hektolitern – rund 55 Litern pro Kopf – weitgehend konstant. Das heisst: Immer mehr Brauereien teilen sich einen gleichbleibenden Markt. Exportiert wird mit 77 200 Hektolitern eher wenig, dagegen wird mit 1,2 Millionen Hektolitern rund ein Fünftel des in der Schweiz verbrauchten Biers importiert.
Weitere Infos unter
brauereiimberg.ch